Du bist mitgemeint!

Kategorien Sichtweisen, veröffentlicht am Dienstag, 13. Juni 2023, letzte Änderung: Freitag, 8. September 2023

Zum wiederholten Male versuche ich mich nun an einem Text über das Gendern. Ich habe schon mehrmals in den letzten Jahren eine Abhandlung begonnen, bin aber an meinen eigenen Ansprüchen und der Komplexität gescheitert. Es ist ein Thema, dass mich hauptsächlich auf der Metaebene beschäftigt und mich erstaunen lässt. Und mich dadurch verwirrt, dass ich mir so viel gescheiter vorkomme als die Leute, denen ich mein skeptisches Denken verdanke.

Alles nur Attitüde

Im Vergleich zu meinem alltäglichen Umfeld, kam ich mit dem Gendern früh in Kontakt, da es sich in den Kreisen, aus denen ein Großteil der Podcasts kommt, die ich höre, früh und schnell verbreitete. In meiner Datensicherung habe ich eine kurze Stellungnahme gefunden, die ich 2013 in der ersten Version meines Blog veröffentlicht hatte. Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht ist, dass ich es noch genauso sehe. Verdammt 😀

Für mich ist Gendern ein Ausdruck der sozialen Konformität und gesellschaftlichen Drucks, der deshalb so gut funktioniert, weil es für die gute Sache steht, moralischen Fortschritt.

Ich verstehe und glaube die gute Absicht, die Idee und Hoffnung durch bestimmte Sprachverwendung die Welt zu verbessern bzw. zumindest zu erkennen zu geben, der Verbesserung nicht im Wege stehen oder daran sogar mitwirken zu wollen. Und weil es für eine bessere Welt ist und schon so viele kluge und meinungsstarke Personen machen, schließt man sich eher leicht als schwerfällig an, möchte aber auch nicht als Mitläufer wirken, sondern rational und gebildet und weltgewandt und braucht deshalb natürlich Argumente.

Und diese Argumente werden geliefert und scheinen schlüssig und logisch. Alle wiederholen sie und somit bedient man sich dieser ebenfalls, da sie sich bewährt haben. Nur nicht den Anschein erwecken rückwärtsgewandt, konservativ und diskriminierend zu sein. Auch die von mir geschätzte Quarks-Redaktion hat sich schon mehrfach damit auseinandergesetzt, aber immer so ein komisch ausgewogenes, vorläufiges Fazit gefunden.

Ich bin erst letztes Jahr auf Gurwinder Bhogal aufmerksam geworden, aber sein Text über die Fähigkeit intelligenter Menschen sich selber zu täuschen, erklärt dieses Phänomen sehr gut. Er ist einer von zwei Personen, die ich bei dem Thema als angenehmen Halt empfinde. Die zweite ist Daniel Scholten, der mir spätestens mit seinem Buch noch viel Hintergrundkenntnisse geliefert hat, die meine vorhandene Wahrnehmung verstärkt haben.

Ich habe keine Emotion und Agenda zum Gendern. Ich will den Anspruch leben, Freund der besseren Argumente zu sein und danach meine Meinung bilden. Und ich will erkennen und ehrlich dazu stehen, wenn ich mich trotz überzeugender Argumente anders entscheide und verhalte. Sei es aus Angst oder Bequemlichkeit oder aus welcher irrationalen Motivation auch immer. Aber ich möchte dann nicht trotzdem versuchen mir meinen Widerspruch wegzuargumentieren, sondern ihn aushalten und als Teil des menschlichen Seins akzeptieren.

Gendern ist bislang für mich ein unsinniges, unpraktikables, gefährliches Mittel zum Zweck. Gleichzeitig nehme ich die Existenz diverser Empfindungen und Auslebung von Geschlechtlichkeit an und sehe mich durch deren Existenz und Präsenz nicht bedroht. Es ist erstrebenswert, dass Menschen unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität gleichberechtigter Teil der Gesellschaft sind und nicht benachteiligt werden. (Dieses Thema hat allerdings seine ganz eigenen Kontroversen und Ungereimtheiten, auf die ich in diesem Text nicht auch noch eingehen will.) Der Einfachheit halber und des Wohlwollens wegen, nehmen wir es als gegeben, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der es Männer und Frauen, Personen dazwischen und Personen außerhalb davon gibt. Jedoch alles Menschen, die unabhängig von der individuellen Ausprägung dieses Merkmals Gender ebenbürtig zu behandeln sind.

Ich bekomme also seit Jahren schon gegenderte Sprache zu hören und bin längst daran gewöhnt. Die diversen Absurditäten, die immer mal wieder auftauchen, sind für mich eher ein Zeichen für längst angewöhnte, unbewusste Muster, denen kein bewusster Gedanke vorausgeht und auch nicht mehr folgen muss. Sagt und macht man halt so. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, unabhängig davon, ob es gute oder schlechte Gewohnheiten sind.

Wenn ich gegenderte Sprache höre, dann löst das nicht Bilder von Geschlechtervielfalt in mir aus, sondern sagt mir etwas über die Attitüde und Konformität des Sprechers. Es macht mich traurig und resignierend.

Längst ist das Gendern auch in meinem privaten Umfeld angekommen, mit denselben Argumenten. Aber auch die Ablehnung und Verweigerung, die überall zu finden ist, setzt nicht an den unsinnigen Behauptungen an, sondern bietet ebenso fragwürdige Argumente auf, die dafür sprechen, dass es auch nur um Befindlichkeiten geht. Der ganze Streit beruht auf Befindlichkeiten, nicht auf Sachverstand. Und das hat dazu geführt, dass die ganze Thematik so festgefahren ist. Es wurde soviel in diese Geisteshaltung investiert, vielfach ist sie Teil der Identität geworden, dass ein Abrücken und Korrigieren keine Leichtigkeit ist.

Falsche Prämissen

Wo fange ich an? Vielleicht bei den Standardbehauptungen, die ich vor allem unverschämt finde. Der tyspische Satz, dass bei normalem Sprachgebrauch nur Männer gemeint seien. Wenn ich “Die Piloten streiken” sage, dass ich dann nur Männer meinen würde.

Selbst wenn ein Teil der Bevölkerung entscheidet sich nicht angesprochen zu fühlen oder nicht gemeint zu sein. Woraus ergibt sich dann die Schlussfolgerung, dass alle Mitmenschen diesen Teil (bewusst und aktiv) nicht mitmeinen und nicht ansprechen wollen?

Ja. Es mag sein, dass der Satz ein Bild im Kopf provoziert, in dem nur Männer mit Pilotenuniform vorkommen. Aber würde man gezielt nachfragen, ob da nur die männlichen Piloten streiken, würde jeder davon ausgehen, dass wahrscheinlich alle Menschen gemeint sind, die den Beruf Pilot ausüben. Es wäre ein kurioser Sonderfall, wenn dem nicht so wäre. Und so ist es in fast allen Fällen. Ein erstes reflexhaftes Bild wird männerlastig sein, aber ein darauffolgendes Innehalten wird der Realität gerechter.

Ich schließe mich der Sicht an, dass das grammatikalische Geschlecht nichts mit dem biologischen Geschlecht und dem sozialen Geschlecht zu tun hat. Meiner Einschätzung nach liegt die Wurzel des Problems darin, dass sich irgendwann einmal dazu entschieden wurde in der Sprache von Geschlecht zu reden und ebenfalls von maskulin und feminin. Das ist ein gefundenes Fressen für unsere fest verbaute Mustererkennung und Komplexitätreduzierung. Es kommt mir so vor als wäre das meine Erkenntnis gewesen, kann aber auch sehr gut sein, dass ich sie aus diesem Video, von besagtem Daniel Scholten, mitgenommen habe.

Würden wir sagen, dass es in der deutschen Sprache drei Fladäzen gibt, die sich durch den Artikel unterscheiden und je nachdem anders heißen, also blepul für das, krimal für der, gnodol für die, dann würde vielleicht keiner auf die absurde Idee kommen, dass krimale Wörter immer nur Männer meinen.

Die Sprache ist genderneutral, denn an keiner Stelle zuvor haben sich die Menschen gedacht, dass sie eine Logik in die Artikel bringen müssten, um die vermeintlichen Geschlechter von Lebewesen zu repräsentieren. Am ehesten ist in der deutschen Sprache noch das weibliche Geschlecht bevorzugend, denn es gibt mehr eindeutige Wörter, um Frauen kenntlich zu machen als Männer oder andere Formen. Wenn ein Geschlecht in der deutschen Sprache sichtbar ist, dann das weibliche. Unsere Vorfahren hielten es irgendwann einmal für nötig Frauen sprachlich kenntlich zu machen.

Und in vielen Sprachen ist zu erkennen, dass das ursprüngliche Wort, das einfach einen Menschen allgemein bezeichnete, erst dadurch zu einem Begriff für den männlichen Menschen wurde, weil es ein eigenes, neues Wort für den weiblichen Menschen hinzukam. Ausdrücke wie jemand, niemand, alle Mann und man sind kein Beleg für beabsichtigte männliche Dominanz, sondern Überbleibsel aus einer Zeit, in der die geschlechtliche Orientierung in der Sprache noch keine Rolle spielte.

Selbst jemand der standardmäßig gendert, muss durch zusätzliche Wörter betonen, dass er wirklich nur Männer meint, wenn er von männlichen Piloten spricht; auch wenn alle anderen Zuhörer gendern. Soll deutlich gemacht werden, dass es nur um weibliche Piloten geht, bietet das Deutsche die Pilotin. Die Grammatik fügt durch den Suffix -in eine Information hinzu und schränkt somit die Definition ein. Eine Pilotin ist nicht ein Mann, der eine Frau ist, sondern ein fluggerätsteuernder Mensch, der weiblich ist.

Es wird mit Aussagen wie “manche Menschen seien nicht mitgemeint” Unterstellungen vorgenommen. Wenn wir anständig und aufrichtig argumentieren, dann erlaubt der kontextlose Satz “Die Piloten streiken” keine Auskunft über das Geschlecht der beteiligten Piloten. “Die Pilotinnen streiken” hingegen schon.

Die Realität

Der Sinn der Berufsbezeichnungen war und ist es Menschen anhand ihrer Berufe zu benennen. Deren vermeintliches Geschlecht zu transportieren war nicht die Absicht, auch wenn dies möglich ist oder dazu verleitet wird.

Die überwiegende Mehrheit der deutschen Substantive hat keinen Bezug zu irgendeiner Art von nicht-grammatikalischem Geschlecht. Die Verteilung von der, die und das verläuft gemäß anderer, sogar recht nachvollziehbarer Kriterien, der sich auch die wenigen Wörter unterordnen, die Menschen oder Lebewesen bezeichnen. Es ist nicht umgekehrt.

Jeder findet leicht Beispiele dafür, dass alleine die Artikel uns nicht zwingen an ein biologisches oder soziales Geschlecht zu denken. DIE Männer oder DIE Mannschaft führt nicht dazu, dass wir an Frauen denken. DAS Mädchen oder DAS Luder lässt uns trotzdem an weibliche Menschen denken. DAS Arschloch und DAS Weichei lösen eher das Bild eines Mannes aus. DER Liebling wird zweifellos auch für Frauen verwendet, DER Filmstar ebenso. DIE Person können wir durch adjektive oder sonstige Ergänzungen eher zur Frau oder zu einem Mann werden lassen, DAS Kind genauso. Wird es irgendwann die Kindin geben? Klingt vielleicht komisch, aber dem Wort Mitglied ist es schon passiert. Da wundert man sich kaum noch über Mitgliederinnen. Und wenn ich zum Bäcker gehe, denke ich dann an den Mann in weißer Kleidung am Ofen oder an die Verkäuferinnen am Verkaufsthresen?

Es gibt so viele gleichartige Beispiele mehr. Auf welcher Basis bitte, wird aufrecht erhalten, dass die Grammatik das Geschlecht vorgibt? Warum funktioniert folgendes Beispiel immer wieder wunderbar:

Sitzen zwei Homosexuelle im Flugzeug nebeneinander. Sagt die eine der beiden: “Wie viele jetzt wohl dachten, dass wir Männer wären?” Daraufhin antwortet ihre Copilotin: “Und wie viele, dass wir Passagiere wären?”

(Gleichzeitig sind die Witze oder Rätsel, die als Beispiele für das Gendern gebracht werden so peinlich schlecht, dass ich mich fast fremdschäme.)

Interessant ist es auch die alten Fassungen der Grimmschen Märchen zu lesen, wo es häufiger Formulierungen wie Mütterchen gibt und “dass ihm das Herz so schwer war” oder ähnlich. Also viel deutlicher, dass die Wortwahl einfach der Grammatik folgte und nicht vermeintlichem Genus oder Sexus.

Wörter sind wie Schlüssel, die Schubladen in unseren Köpfen öffnen. Durch die Wörter ist zwar begrenzt welche Schubladen sich öffnen lassen, aber den Inhalt der Schubladen bestimmen unsere individuellen Biografien und Erfahrungen, die Lebensumstände, unsere Umwelt, unser Umfeld.

Es liegt also nahe, dass in einer Welt und Gesellschaft, in der das Berufsleben lange Zeit männlich dominiert war und vielfach auch noch ist, das vorherrschende Bild in den Köpfen zu einer Berufsbezeichnung auch ein Mann ist.

Das ist zum Beispiel ein Argument, das stark wirkt, aber dennoch nicht sehr überzeugend. Leider hat mich zweifeln lassen, dass zum Beispiel das Wort Kosmetiker dennoch an einen Mann denken lässt und nicht an eine Frau, obwohl dieser Beruf fast nur von Frauen ausgeübt wird. Und würde ich gefragt, welches mein Lieblingsmusiker ist, kämen mir vermutlich zuerst männliche in den Sinn. Jedoch wäre es ja genauso denkbar sich darin zu üben daraus auszubrechen und entgegen zu fragen, ob nur männliche gemeint seien.

Andererseits enthält die Sprache definitiv keine anderen Merkmale über das Geschlecht hinaus. Es mag verlockend sein sie aufgrund der oben beschriebenen Begriffsgleichheit für die Beeinflussung der Geschlechterwahrnehmung zu zweckentfremden, aber die anderen Ungleichheiten bleiben. Wir haben dann vielleicht irgendwann mühevoll geschafft, dass beim Genderpilot an Männer und Frauen und andere gedacht wird, aber nicht, dass wir dann auch an dunkelhäutige oder muslimische oder im Rollstuhl sitzende Piloten usw. denken.

Gut. Dem wäre zu entgegnen, dass nur, weil nicht mehr als ein Teilschritt erreicht werden kann, es sich nicht dennoch lohnt den Weg zu gehen. Aber was ist denn eigentlich das Bild, das im Kopf erzeugt werden soll, wenn ich Pilot*:Innen lese? Ein Pilot mit Schnurbart, eine Pilotin mit Zopf und wie sind dann die Bilder für nonbinäre oder diverse Piloten?

Zweckentfremdung

Wird durch das Gendern in dem ganzen Bemühen um eine angebliche Gleichgültigkeit des Geschlechts einer Person nicht das Gegenteil bewirkt? Während es mit Wörtern wie Pilot immer nur um die Information über den Beruf ging, den der benannte Mensch ausübt, soll nun ständig auch die Vielfalt menschlicher Geschlechtervorstellungen transportiert werden? Plötzlich geht es immer und überall um Geschlecht und somit auch um die Notwendigkeit sich dazu zu verhalten.

In denselben Kreisen, die es nicht für möglich halten, dass wir das Wort Pilot mit der Realität füllen, also dass es eine Berufsbeschreibung ist, die längst von jeder Art Geschlecht ausgeübt wird, plädiert man dafür, dass wir begreifen, dass der/die Deutsche nicht nur einen blonden, hellhäutigen Menschen bezeichnet, sondern jede Form von Phänotyp etc. haben kann.

Die Funktion der Sprache wird verändert. Und zwar nicht in einer Aushandlung und Abwägung, sondern allein durch Proklamation eines moralischen Anspruchs. “Die Piloten streiken” (ja, immer noch) sagt aus, dass die Berufsgruppe der Menschen, die Flugzeuge fliegen können und dürfen, streikt. “Die Pilot*:innen streiken” hat nun die Absicht allen klar zu machen, dass es prinzipiell unter Piloten auch Menschen mit allen erdenklichen Geschlechteridentitäten geben könnte, aber die Formulierung ignoriert den Wahrheitsgehalt. Denn die Aussage stimmt ja nur, wenn unter den streikenden Piloten mindestens eine Person ist, die sich weder eindeutig als Mann oder Frau ausgibt. Der berichtende Journalist hätte die Aufgabe alle Beteiligten um Stellungnahme zu bitten, damit seine Behauptung stimmt. Und wenn er wirklich korrekt berichten möchte, wie drückt er dann aus, dass sich nur Männer und zwei non-binäre Personen am Streik beteiligen? Und warum sollte er es überhaupt mitteilen?

Das mag spitzfindig sein, aber ich finde es dennoch nicht zu ignorieren an wie vielen Stellen sinnvolle Funktionen der Sprache für eine als höherwertig betrachtes Ziel unbrauchbar werden.

Es geht ja weiter mit der Partizipierung. Das ist keine Schnörkelei für Intellektuelle, die nur darauf gewartet hat endlich im Auftrag der Moral Verwendung zu finden. Das ist ein wunderbares Werkzeug der Sprache, um Sachverhalte auszudrücken. Jeder kann sich etwas beibringen und lernen und sich in den vorübergehenden Prozess des Studierens begeben und Studierender sein, von einer Sekunde auf die nächste und wieder zurück. Aber Student zu sein beschreibt einen ganzen Lebensabschnitt, eine Lebenssituation. Und wer sorgt eigentlich dafür, dass wir bei “DIE Studierenden streiken” nicht aufgrund des Artikels nur an Frauen denken?

Ich finde es so absurd an wie vielen Stellen nun gefordert wird umzudenken, umzulernen und die Sprache anzupassen, was ja leicht sei und sowieso passiere. Sogar den Teil gibt es, der entschieden hat, dass Pilotinnen jetzt nicht mehr eindeutig weiblich sei, sondern auch Männer meine. (Abgeleitet aus der Fehlannahme Piloten meine nur alle Männer. Wenn aus falsch noch falscher wird. ABER DIE GUTE SACHE, Jan, DIE GUTE SACHE!) Jeder darf mit Schreibvorschlägen kommen und Definitionen mitbringen, nur dass Pilot keine Genderauskunft gibt, das ist ungültig. Gleichzeitig wird durch das Gendern zu verfestigen versucht, dass Pilot nur ein Mann sein kann, jedoch werden wir es dennoch nicht hinbekommen, dass das irgendwann zweifelsfrei so verstanden wird. Es ist so ein sinnloser Aufwand, was für eine Verschwendung. Ich kann auch nicht behaupten, dass ich die Genderkonstruktionen bewusst lese. Diese Konglomerate sind leicht zu erkennen und es reicht den Wortstamm zu entziffern und den Rest zu überfliegen: “Pilot… streiken.” Hinzu kommt: inzwischen ist auch das Gendern ein Markt, was dem ganzen Irrsinn noch zusätzlich Aufwind verschafft, der erst recht keiner Logik mehr folgen muss.

Wieso wird nicht die naheliegende und einfachste Variante des Umdenkens und Weiterentwickelns der Sprache verwendet? Wir lernen nochmals neu, dass Wörter wie Pilot alle Menschen meinen, egal welches Geschlecht sie haben. Wir lassen und gönnen den Frauen ihren Vorteil mit dem Suffix -in und gut ist. Schafft ihr schon! Ihr seid ja intelligent und weltoffen und flexibel usw.

Ungebremste Engstirnigkeit

Man könnte meinen, dass es am Ende doch nur um Deutungshoheit geht. Ja, Sprache ist immer im Wandel, aber die Leute wandeln ihre Sprache zu ihrem Vorteil. Sie verändert sich, weil andere Ausdrucks- oder Sprechweisen, neue Wörter oder Formulierungen die Kommunikation erleichtern und verbessern. Nicht auszuschließen, dass das dem Gendern auch passieren könnte, aber es sieht so aus als wäre es eine Veränderung unter Druck. Es wird kaum zugelassen, dass die Sprache auch da einem Geschmacksurteil folgt, sondern Statements unterstellt und provoziert.

Dabei will ich echte, nachvollziehbare und zu berücksichtigende Probleme gar nicht ignorieren oder abstreiten. Zum Beispiel die Situation, dass es vor allem Kinder beeinflusst wie über Berufe und Berufsgruppen gesprochen wird. Aber ich denke, dass Pädagogen und Bildungsverantwortliche da auch mit vorhandenen Mitteln und mehr Feinfülligkeit drauf eingehen können. Vielleicht fangen wir an der Stelle ab jetzt einfach mit Fladäzen an.

Die Befürworter des Genders treten mit einer Generalisierung auf, die ich oft entlarvend und peinlich finde. Ich habe nicht den Eindruck einer Sensibilität, sondern einer Gleichgültigkeit. Nicht nur gegenüber Sprache, sondern am Ende auch denjenigen, denen man damit angeblich Sichtbarkeit verschaffen will. Durch wen und wie wird diese eigentlich festgestellt?

Ich halte es auch für angemessen erst bei wirklich auftretenden Konflikten als Betroffener anständig und vorwurfsfrei darauf hinzuweisen, damit die Beteiligten die Gelegenheit haben sich damit auseinander zu setzen und dann gemeinsam eine zufriedenstellende Lösung gefunden wird. Die vorauseilende Konformität im Namen der guten Sache beunruhigt mich. Ansonsten skeptische und bedachte Menschen lassen diese Eigenschaften bereitwillig fallen und reden sich das Vorgehen schön oder zur Lappalie, wo sie sonst vehement Contra geben würden.

Anfangs hatte ich mal in Kommentaren an entsprechenden Stellen versucht Gehör zu finden, aber es ist mir nicht gelungen. Ich nehme auch fast nur noch Immunisierungsargumentation bei den großen Multiplikatoren wahr. Was soll man bitte noch erwidern, wenn man wie ich eingangs schrieb immer wieder zu hören bekommt, dass irgendwer nicht mitgemeint sei und sich jemand nicht angesprochen fühle. Während man im nächsten Satz erklärt bekommt, wie ab jetzt bestimmte Neuschöpfungen zu meinen sind und wer damit alles angesprochen sei.

Das ist für mich alles so inkonsistent und willkürlich, dass ich mich anhaltend über die schreiende Absurdität wundere und ich mich intellektuell beleidigt fühle. Trotzdem bleibe ich in demütiger Hoffnung, dass mir noch jemand erklärt, wo mein Denkfehler liegt. Oder wenigstens zur ehrliche Aussage übergegangen wird, dass man gendert, weil man meint damit die Welt besser zu machen und zu den Guten gehören möchte. Ich kann verstehen und akzeptieren, wenn jemand seine Meinung für gut und richtig hält, aber ich werde stutzig, wenn versucht wird diese mit konstruierten Argumenten auch anderen aufzuerlegen. Es wäre anständig, aber schon sehr schwierig, zu unterlassen das ausbleibende Gendern anderer als grundsätzliche Gegenposition der realen Bemühung um Gleichberechtigung, Akzeptanz und Toleranz zu deuten. Mutwillig, weil es sonst das eigene Handeln schwächen würde. Hmm, das ist jetzt eine Unterstellung meinerseits.

Gibt es schon Erkenntnisse, welchen Effekt das Gendern hat? In Anbetracht auf das beabsichtigte Ziel? Auf die Sprache und ihre Verständlichkeit? Es ist ja generell schon so, dass sich Sprache in Sachen Alter, Milieu, Region, Status etc. unterscheidet. Das Gendern wird vermutlich auch nur die Sprache eines einzelnen Soziotops bleiben.

Vielleicht habe ich es dieses Mal geschafft alles unterzubringen, ich glaube manches sogar mehrfach. Ich hoffe, dass ich klar machen konnte, dass mich das Gendern nicht aufregt, sondern Unredlichkeit und Verblendung. Moral ist eine nicht zu unterschätzende Kraft. Sie mag immer gut scheinen, aber ist dabei nicht universell, viel mehr eine Frage des Standpunktes. Deshalb muss eine überwiegend moralisch basierte Argumentationsweise nicht zu etwas Gutem führen. Und auch Befindlichkeiten von Minderheiten sind am Ende Befindlichkeiten und erhalten nicht allein durch ihre geringe Beachtung höhere Bedeutung.

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