Kirsche

Kategorien Früchte, veröffentlicht am Donnerstag, 5. Juli 2018, letzte Änderung: Samstag, 14. Juli 2018
Javiers Kirschen

Für mich die Begleiterin der Erdbeere, da beide Früchte meist beinahe zur gleichen Zeit auf meinem Speiseplan auftreten und von diesem wieder verschwinden und somit auch nur knapp einen Monat lang meine Hauptspeisen sind.

Flores de Vida

Fangen wir wieder ortsbezogen an, denn in der Regel sind Kirschen für mich mit Flores de Vida verknüpft bzw. mit dieser Zeit von Mai bis Juni, in denen ich dort bin. Die auf dem Gelände vorhandenen Kirschbäume sind alle noch jung. Erst einer trägt eine nennenswerte Menge, die wir uns allerdings mit Vögeln teilen. Obwohl die hellen Früchte weitestgehend unter den Blättern versteckt sind, werden selbst die tief hängenden Kirschen schnell gefressen.

Kirschbaum in Flores de Vida
Der am weitesten entwickelte Kirschbaum in FdV
Versteckte Kirschen
Die Früchte sind aus der Ferne und von außen kaum zu sehen.
Angefressene Kirsche
Die Vögel wissen dennoch genau wo und wie sie ran kommen.

Die Hauptversorgung mit Kirschen erfolgt aber durch einen befreundeten Landwirt namens Javier, der auf seiner Plantage auch zahlreiche Kirschbäume ökologisch bewirtschaftet. Ein sympathischer und idealistischer Kerl, denn in der Region ist der Bioanbau ein hartes Geschäft. Es gibt kaum einen lokalen Markt dafür. Die Nachfrage ist so gering, dass er auf den Wochenmärkten in weitem Umkreis, auf denen er verkauft, nicht deutlich mehr verlangen kann als für die industrialisiert produzierten Früchte gezahlt wird.

Sobald die Saison eröffnet ist, bedienen wir uns selber an Javiers Bäumen. Und da dies meist in die Zeit der Frühlingssession fällt, reisen wir mit der ganzen Gruppe an und füllen unsere Mägen und Kisten. Die bereits erwähnten, ungenügenden Kühlmöglichkeiten und die kaum vorhandenen Nahrungsalternativen, führen dazu, dass wir in der Hochsaison alle paar Tage zum Ernten fahren. Meist kombiniert mit einem Besuch am Stausee.

So ist es möglich den gesamten Verlauf der Kirschzeit mitzubekommen. Von den ersten noch säuerlichen Früchten, zu den prallen, saftigen, süßen Früchten, zu den durch unerwarteten Regen aufgeplatzten und verderbenden, über die vom Wurm befallenen, gegorenen und vergorenen, bis zu den am Baum halb und letztendlich vollständig getrockneten Kirschen.

Javiers Plantage
In Reihen stehen zahlreiche kurzgehaltene Bäume.
Reife Kirschen am Baum
Dunkel, süß und saftig sind diese Kirschen.
Gesammelte Kirschen
Und wirken in anderem Licht ganz anders.

Wir wiegen unsere Ernte nach Rückkehr und Nat’ zahlt dann irgendwann später 1,50 Euro pro Kilo. Darin sind die direkt verzehrten nicht eingerechnet und oft auch die minderwertigen und getrockneten nicht. Wir brauchen nur die einwandfreien, verkaufsfähigen zu bezahlen. Dieser nahe Kontakt mit der Produktion offenbart wie viel Ertrag auf der Strecke bleibt, also nicht in den Handel kommt. Für uns als Nutznießer natürlich großartig.

Und es sind fantastische Kirschen. Außen wie aus dem Bilderbuch und innen ebenfalls dunkel, dazu saftig und süß. Es fällt mir schwer mich während der Ernte nicht zu überessen.

Domain Maman Terre

Besuche ich die Freunde von Sanftmut und Harmonie, so wie 2017 und 2018, fällt mein Aufenthalt noch in das Ende der dortigen Kirschenzeit. Es gibt einen großen Baum vorm und einem hinterm Haus und beide hängen voller Früchte. Ich habe jedoch wenig Freude an ihnen, da sie nahezu alle über sind und/oder verwurmt. Somit gibt es dazu gar nicht viel weiteres zu sagen. Ich schaue anfangs hin und wieder, ob ich vereinzelt noch genießbare Früchte finde, belasse es aber recht bald dabei.

Es sind meist offenbar nicht genügend Leute anwesend, die das nötige Interesse und den Antrieb haben rechtzeitig zu ernten und die Früchte zu trocknen oder zu verarbeiten.

Konservierung

Wichtig ist es Kirschen mitsamt ihrem kleinen Stiel zu pflücken, da sie somit verschlossen und etwas länger frisch bleiben. Wie schon oft erwähnt gibt es keine Kühlmöglichkeiten in Flores de Vida und so verderben sie recht schnell. Mangels Kälte gehe ich in die entgegengesetzt Richtung und packe einen Teil direkt in die Dörrvorrichtung, um sie zu trocknen.

Kirscheneffekte

Einer ist optischer Natur. Verblüffend finde ich die unterschiedliche Farbwahrnehmung abhängig vom Lichteinfall und der Färbung benachbarter Früchte. So erscheinen Kirschen hinter einem Blatt und neben unreiferen Exemplaren ziemlich dunkel und wirken gepflückt in der Hand dann deutlich heller.

Ohne es mit Fakten und Zahlen belegen zu können, wirken sich Kirschen – bei mir und auch anderen – anders als vermutet aus, zum Beispiel im Vergleich mit Bananen. Sie wirken wasserhaltiger, machen aber durstig. Sie wirken säuerlicher, haben aber viel mehr Zucker. Für mich machen sie sich auch an den Zähnen eher bemerkbar als Orangen.

Ich muss jedenfalls darauf achten nach einem Kirschenmahl auch ordentlich Kalorien zu verbrauchen. Und während ich normalerweise den Tag über nichts trinke, brauche ich bei Kirschen anschließend einige Schlucke Wasser für meinen trockenen Mund.

Erfreulicherweise wächst auf der Plantage auch jede Menge Melde wild vor sich hin und die kommt mir als Nachspeise sehr gelegen. Nicht nur das Melde grundsätzlich ein angenehm, mildes Grünzeug ist und für mich jeden Blattsalat ersetzt, es hat auch einen zahnputzenden Effekt ordentlich Grünzeug zu kauen, mineralisiert und normalisiert den pH-Wert im Mund.

Sind Kirschen vegan?

Dem Ökoanbau bleiben nur Fallen aller Art, um die Früchte vor der Eiablage von Fliegen zu bewahren und so ist es unvermeidlich, dass mit der Zeit mehr und mehr Kirschen angestochen werden. Die Fliegen, die nicht vorzeitig an den gelben Platten und Bändern kleben bleiben oder in den Flüssigfallen verenden und ihr tatsächliches Ziel finden, lösen die stetige und schnelle Vermehrung aus. Jede Kirsche, die zur Brutstätte wird, erhöht die Anzahl an Fliegen und somit die Chance, dass weitere Kirschen befallen werden.

Die Einstichlöcher sind in der Regel gut zu erkennen und werfen dann die Frage auf, wie mit der Frucht zu verfahren ist. Für mich hängt es sehr mit dem Stadium, dem Gesamtzustand der Frucht zusammen. Es bleibt natürlich immer die Möglichkeit jede einzelne Kirsche zu halbieren oder anzubeißen und zu sichten, die Made hinaus zu schubsen oder nur den unversehrten Teil zu essen.

Ebenfalls wieder rein anekdotisch ist die Feststellung, dass in jeder Kirsche immer nur eine Made ist. Keine Ahnung, wie die Fliegen sich abstimmen. Könnte natürlich sein, dass die erste Made die anderen Maden und Eier frisst, aber es ist auch fast immer nur ein Einstich zu sehen.

Die Made ist in der Regel am Kern zu finden und frisst sich von dort nach außen vor, nicht ohne ihre Ausscheidung natürlich an selber Stelle zu hinterlassen. Das Kirschenessen kann also zur ästhetischen und ethischen Fragestellung werden.

Auch ohne es im Einzelnen zu prüfen, bin ich inzwischen der Überzeugung, dass der Gesamtgeschmack einer einzelnen Frucht nicht zwangsläufig über deren Zustand in ihrem Inneren verrät und umgekehrt.

Ich begnüge mich meist damit mit Augen und Nase, sowie Tastsinn zu entscheiden, ob ich eine Kirsche esse, selbst wenn sie ein Einstichsloch hat. Ist der Anblick noch in Ordnung – was ich aus meiner persönlichen Erfahrung beurteile –, riecht sie nicht vergoren, und gibt sie stellenweise nicht zu sehr nach bzw. erfolgt auf den leichten Druck nicht der Austritt von Luft und bräunlich gefärbter Flüssigkeit, dann wage ich den Wurf in den Mund.

Gut möglich, dass ich viele Kirschen nicht in Gänze gegessen hätte, wenn ich sie vorher geöffnet hätte. Die Tatsache, dass sie mir aber schmecken, deute ich aber als stimmig an. Zum einen halte ich so eine Made und ihre winzige Hinterlassenschaften auch in der Menge, die bei einem größeren Kirschenmahl zusammen kommt, gesundheitlich nicht für problematisch. Zum anderen kann ich mir ein stimmiges Naturbild zusammenbauen.

Fliegen reproduzieren sich so schnell und massenweise, weil der hohe Verlust an Nachwuchs eingerechnet ist. Es ist die Reaktion auf die Wahrscheinlichkeit vor der Vermehrung verzehrt zu werden, weil sie sich eben in der Nahrung größerer Tiere entwickeln.

Auch ich habe Anteile des anerzogenen, kulturell bedingten Ekels vor Gewürm und Insekten und finde sie unappetitlich, aber auch die Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Fähigkeit und kann die Was-ich-nicht-weiß-macht-mich-nicht-heiß-Haltung aktivieren. Und vielleicht dann doch genug Rationalisierung, dass ich mir sage, dass mir die proteinhaltigen Kirschen mehr nutzen als schaden und es ins natürliche Gesamtbild passt.

Ich habe für mich irgendwann einmal die Definition der veganen Ernährung insofern verschoben, dass es nicht auf den tierischen Anteil ankommt, sondern auf die Nahrungsaufnahme in einer ursprünglichen Art und Weise, um nicht von natürlich zu sprechen. Vereinfacht gesagt ist es Teil meines Naturverständnisses, dass ich Maden esse ohne dabei einen Konflikt zu verspüren.

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