(Deutsch) Nichts zerronnen, nur gewonnen

Catégories Reportage de voyage, publié le samedi, 10. juin 2023, modifié: dimanche, 25. juin 2023
Die Straße aus Maella heraus

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Na super! Diese Reise schreit gleich mehrfach nach einem Bericht und so will ich mich direkt, noch während ich unterwegs bin (dazu später mehr), dran machen, bevor ich zum einen nach Ankunft nicht die passende Gelegenheit finde und zum anderen Einzelheiten so oft erzäphlt haben werde, dass ich dem Ganzen überbrüssig bin.

Außerdem wird er länger, da ich mit einem Detail einen Tag früher ansetzen will, um einer späteren Situation zusätzliche Komik zu verleihen.

Prolog

Also Mittwoch hatte ich mich ziemlich festgelegt und meine Abreise von Freitag auf Montag verschoben. Es hätte zwar für Besuche gut gepasst, wenn mir die Ankunft am Wochenende gelungen wäre, aber das Renovierungsprojekt war noch nicht abgeschlossen. Regen, auch wenn es nicht viel war, hatte das Vorankommen verzögert. Und es war auch Regen auf meiner Strecke im Süden Frankreichs vorhergesagt.

Zwar reise ich von Rastplatz zu Rastplatz und versuche möglichst lange Fahrten zu finden, aber dennoch laufe ich umher, wenn ich auf der Fahrzeugsuche bin und weiß nie, wann ich wo aussteige.

Das renovierte ToilettenhäuschenMit Nat’ hatte ich in den zusätzlichen Tagen noch ein Toilettenhäuschen wieder in Ordnung gebracht, was größtenteils aus dem Entfernen des alten und dem Bauen eines neuen Dachs bestand. Außerdem das bereits zuvor gemeinsam renovierte Dach über dem Wohnwagen noch begonnen zu verkleiden. Damit hatten wir noch Sonntag Morgen begonnen. Die bis dahin bereits abgesägten und zum Wohnwagen gebrachten Cañas, zu Deutsch Pfahlrohre, haben wir hoch gehievt und gezogen, zurecht gelegt, auf passende Länge gesägt und dann mit Draht packetweise fixiert.

Neu überdachter WohnwagenDie vorhandene Menge hatte knapp für ein Drittel der Dachfläche gereicht. Und während sich Nat’ im Anschluss Arbeiten an seinem Computer widmen wollte, beschloss ich vor meinem sonntäglichen Skypegespräch noch weitere abzusägen und herzubringen. Nebenbei wollte ich wie gewohnt Podcasts hören und begann mein MP3-Handy zu suchen. Wenn ich es nicht hinterm Ohr klemmen habe, steckt es meist in meiner linken Hosentasche. Da ich aber während der Arbeiten auf dem Dach zwischendurch von langer auf kurze Hose gewechselt hatte und es dabei nicht mitnahm, da wir ja zu zweit waren, suchte ich zuerst in der langen Hose, fand aber nur die Stoffhülle, was ein schlechtes Zeichen ist.

Mein Podcast-Handy und die StoffhüllenIch trage dieses Handy immer in einer von zwei unterschiedlichen Hüllen. Eine für die Arbeitsmomente und eine Freizeithülle. Beide haben gegenüber vorigen Modellen den Nachteil, dass sie keine Gummibündchen haben und somit nicht eng genug sind das Handy in sich zu halten. Das Hinausgleiten ist möglich. Und wenn ich in der Tasche nur eine Hülle habe, ist dies der Fall.

Nachdem ich beide Hosen mehrmals durchsucht und abgetastet habe – auch später erneut – habe ich auch den Wohnwagen abgesucht. Irgendwann sucht man auch dort, wo es gar nicht sein kann und wo man schon drei Mal geschaut hat. Mir kam schnell in den Sinn, dass es mir wohl unbemerkt auf dem Dach aus der Hose und zwischen die Cañas geglitten sein muss.

Diese danach zu durchsuchen ist gar nicht so einfach, weil sie ja zusammengebunden sind, ungleichmäßig. Der Blick aufs Wellblech ist nur noch schwer möglich, genauso das Hin- und Herschieben. Ich bemühte mich vergeblich.

Ich wurde nicht fündig und lief die wenigen Wege ab, die ich morgens schon gegangen war, fand aber nichts. Ich begann dann erst einmal damit wie geplant einige Pfahlrohre abzusägen und hochzubringen und entschied später nochmals zu suchen. Als ich zehn Minuten vor dem Gesprächstermin soweit war, begab ich mich erneut aufs Dach und versuchte es so systematisch und gründlich abzusuchen, wie es möglich war ohne die Drähte wieder zu lösen. Nachdem ich den ersten Abschnitt vergeblich durchstöbert hatte, macht ich mich mit noch weniger Aussicht auf Erfolg an den zweiten. Ich war mir sicher ewig im Hinterkopf zu behalten, dass es da oben liegen müsse, wenn ich es nicht finden würde, und hatte es kurz darauf dann tatsächlich wieder kopfschüttelnd und erleichtert in den Händen. Es steckte zwischen den Pfahlrohren.

Der Rest des Tages ist nicht weiter ausschmückenswert. Wir hatten noch bei einem befreundeten Musiker Aprikosen aufgesammelt und gepflückt und nach der Rückkehr begann ich mit dem Zusammenpacken sowie aufräumen und reinigen des Wohnwagens. Abends haben wir dann nochmals zusammengesessen und uns unterhalten. Entweder habe ich dann schon, oder am nächsten Morgen den Entschluss gefasst und mitgeteilt, dass ich wiederkommen werde.

Abreise

Zum Sonnenuntergang habe ich außen nochmals die Atmosphäre genossen und kurz festgehalten. Ich bin mal wieder ein wenig früher ins Bett gegangen, auch früher eingeschlafen, gut geschlafen, aber wie oft in den letzten Tagen nicht besonders lang. Gegen 6:30 Uhr war ich wach, habe dann noch über eine Stunde lang vor mich hingedöst und bin gegen 8 Uhr aufgestanden, mit dem Ziel mich zwischen 9 und 10 Uhr von Nat’ nach Maella bringen zu lassen.

Mein Gepäck beschränkte sich weiterhin auf meine zwei Rucksäcke und eine Einkaufstasche, die ich mit den gesammelten Aprikosen des Vortags füllte. Außerdem noch ein Vorrat an Nisperos. Der Tag war sonnig und ich gut in der Zeit. Nat’ setzte mich am Ortsausgang Maells, Richtung Tortosa ab, das ich wie gewohnt über Batea und Gandesa per Anhalter erreichen wollte. Es war 10 Uhr als wir uns verabschiedeten. Mein Plan war es nach 12 Uhr wieder ins Dorf zu gehen, um den Bus nach Tortosa zu nehmen, sollte ich bis dahin nicht weggekommen sein.

Ich warf die virtuelle Münze ein, indem ich Speed per SMS an Congster schickte und mir für 24 Stunden mobiles Internet auf meine SIM-Karte buchte. Um genau zu sein, ist es Papas virtueller Geldbeutel, aus dem ich da schöpfe 😀 Vielen Dank an dieser Stelle. Hintergrund war den Reiseverlauf hier auf meiner Seite etwas zu kommentieren:

Der mühsame Start

Der Verkehr war nicht nur wie gewohnt spärlich, sondern auch nicht bereitwillig zu halten. Der Bewohner des letzten Hauses dort kam kurz für ein paar neugierige Frage vorbei und wünschte mir Glück. Zusätzlich bellte der Hund auf dem Grundstück, neben dem ich stand. Er stand neben dem offenen Tor, blieb aber hinterm Zaun. Zwar ignorierte ich ihn und kehrte ihm den Rücken zu, aber das hielt ihn nicht ab. Er wirkte und war völlig harmlos, nur überhaupt nicht gewohnt, dass da einfach mal jemand steht und stehen bleibt. Zwischendurch holte ihn der Besitzer weg, der irgendwo auf dem Gelände beschäftigt war.

Vor MaellaDie Sonne schien kräftig, aber es war nicht übermäßig heiß. Ich stand hinter der Kurve und konnte so erst kurz vor Auftauchen eines Fahrzeuges hören, das eines kommt. Aufgrund der geringen Frequenz bin ich ohne meine Sachen immer mal wieder um die Kurve gegangen und habe mich auf der anderen Seite in den Hausschatten gesetzt. Von dort konnte ich weit ins Dorf reinschauen und hatte genug Zeit bei Annäherung eines Fahrzeuges wieder an meinen Standplatz zu gehen. Die meisten bogen sowieso vorher ab.

Da ich auch bei dieser Gelegenheit Podcasts höre, nehme ich die Zeit weniger als Warten oder verloren wahr. Die vorbeifahrenden Autos hatten alle genug Platz. Ja, einige mögen wirklich, wie die Fahrer immer anzudeuten versuchen, noch vor Batea irgendwo ins Feld einbiegen, aber die meisten entziehen sich unnötigerweise der Ehre mich zu befördern 😉

Gegen 11:40 Uhr hielt dann ein Auto mit drei jüngeren Männern, Marokkaner wie einer von ihnen mehr als einmal unterwegs betonte. Sie wollten mich bis nach Gandesa mitnehmen und so bin ich eingestiegen. Sie sprachen auch nicht so gut Spanisch, aber die Verständig gelang, brachte allerdings erst zum Ende hin zu Tage, dass sie sogar bis Tarragona wollten und mich auch bis dahin mitnehmen würden. Sie hatten dort einen Termin, eine Verabredung und nun musste ich in dem Moment, in dem es um Austeigen oder Mitfahren ging, entscheiden. Tarragona war rein geografisch eine große Zeit- und Streckenersparnis, aber ich stellte es mir schwierig vor zu organisieren, dass entweder sie mich dort an einen Rastplatz der Autobahn brachten oder ich vergleichsweise einfach aus der Stadt dort hinkomme. So blieb ich in Gandesa und wollte meinem anfänglichen Plan treu bleiben.

Sie boten mir noch Früchte an und auch mich wieder zum Stadtzentrum zu bringen, ich lehnte aber beides ab, da ich selber versorgt war und nicht weitere Umstände verursachen wollte. Ich hatte bereits mein Gepäck ausgeladen.

Erst nach ihrer Abfahrt stellte ich fest, dass ich mich am für mich ungeeigneten Ortsausgang befand und stellte das auch per Nachfrage sicher. Ich machte mich also auf den Weg in die andere Richtung und kam nach wenigen Schritten direkt auf die Fahrerseite eines Autos zu und fragte den älteren Mann darin durch die offene Seitenscheibe in welcher Richtung die Straße nach Tortosa verlaufe. Er wäre beinahe ausgestiegen, um mir auch mit Gesten den Weg zu beschreiben, hielt dann aber inne und forderte mich auf einzusteigen, damit er mich dort hinbringen könne. Dass wäre leichter als den Weg zu erklären, außerdem ein weites Stück durch die heiße Sonne.

Straße aus Gandesa nach TortosaEr hatte leider nicht vor, aus dem Ort hinauszufahren, aber deutete mir an, dass er in einem der Wohnhäuser lebe, die direkt am Ortsausgang liegen, an dem er mich glückwünschend absetzte.

Auch da stand ich wieder in der Sonne, aß erst einmal das, was ich an reifen Aprikosen hatte und begab mich immer wieder auf die andere Straßenseite in den Schatten. Von dort hatte ich ebenfalls einen guten Blick die lange Straße hinunter.

Es dauerte wieder eine Weile, wenn auch nicht ganz so lange. Zwischenzeitlich versuchte ich mir zu berechnen ab welchem Zeitpunkt ich mich auf den Weg zur Bushaltestelle machen würde. Ein Fahrer hielt, der mir aber nur die Mitnahme bis El Pinal de Brai, nicht ganz auf halber Strecke, anbieten konnte, was ich ablehnte. Früher hatte ich das zwar auch schon mal gemacht, aber die Bus-Alternative fällt dann weg.

Als zweites hielt eine Spanierin, Monica habe ich im Gedächtnis, oder vielleicht auch Manuela. Ich habe die Techniken zum schnellen Merken neuer Namen immer noch nicht verinnerlicht. Sie nahm mich jedenfalls mit. Die Strecke Gandesa-Tortosa ist ihr täglicher Arbeitsweg und wir unterhielten uns ein bisschen. Sie fragte nach meinen sprichwörtlichen Beweggründen und ich erzählte von meiner Lebensweise. Sie erwähnte auch, dass sie eine jugendliche Tochter hat, die in der Schule Deutsch lernt und auch ein jeweiliger einwöchiger Schüleraustausch ansteht.

Ich sagte ihr, dass ich gerne an die entsprechende Ortsausfahrt von Tortosa möchte, weil es für mich dann weitergeht Richtung L’Aldea, um auf halber Strecke ungefähr an der Auffahrt auf die AP-7 zum Rastplatz zu maschieren und von dort dann per Anhalter zu reisen. In Tortosa angekommen war ich etwas unsicher und überlegte, wo ich vorschlagen sollte, dass sie mich absetzen könne. Ich zog auch in Betracht mich zum Busbahnhof bringen zu lassen und dann mit dem Bus bis dort hinzukommen – es gibt eine mysteriöse Bushaltestelle -, aber als ich merkte, dass sie die zusätzlichen zehn Kilometer zur Autobahn antrat, dankte ich nur erleichtert für dieses Geschenk. Sie erwiderte, dass sie gerne helfe.

Bushaltestelle am AutobahnzubringerIch stieg dann am Parkplatz aus und beschrieb nochmals, dass ich von dort gut noch bis zum Ratplatz laufen kann und über eine Fußgängerbrücke dann auf meine Fahrseite gelange. Wir verabschiedeten uns, sie fuhr los und ich setzte mich einen Moment an die Bushaltestelle, um mein Smartphone zum Tracking einzurichten. Nachtrag 25.6. Zuerst dachte ich, dass die App die Strckenverfolgung nicht gespeichert hätte, aber sie sind doch vorhanden. Wer sie ebenfalls verwenden möchte, möge sich über meinen Einladungslink anmelden.)

Als ich dann losging und mir die zwei Kilometer Gepäckmarsch durch die pralle Mittagssonne erneut mit einem Podcast erleichtern wollte, griff ich in meine Tasche und hatte nur die leere Stoffhülle in der Hand. Da die Hoffnung ja zulettz stirbt, bin ich die paar Schritte bis zur Bushaltestelle und zu meinem Ausstiegsort zurückgegangen, aber das Handy lag nirgends. Es musste während der Fahrt unbemerkt aus der Hülle und Tasche gerutscht sein und lag nun auf dem Sitz oder im Fußraum oder irgendwo dazwischen.

Weder hatte ich eine Vorstellung davon, ob noch wann es gefunden würde und genausowenig, ob es gelingen kann, es mir wieder zukommen zu lassen. Ich war mir sicher, dass ich mich als einzigen Kontakt hinterlegt habe, aber es ist ein deutsches Benutzermenü. Ich war mir unsicher, ob ich auf der Innenseite der Akkuklappe oder auf dem Akku einen Aufkleber mit einer Kontaktadresse angebracht habe. Die Idee hatte ich verstärkt seit meinem letzten großen Verlust nochmals gewälzt, aber nicht konsequent verfolgt. Und selbst wenn, würde jemand darauf kommen nachzuschauen?

Naja, es war kein schmerzlicher, nur ein nerviger Verlust. Das Handy hat einen einstelligen, maximal zweistelligen Wiederbeschaffungswert und enthielt keinerleit kritische Daten. Es war meine Taschenuhr und eben niederschwellige Unterhaltungselektronik. Ich hatte mich schnell damit abgefunden und mir gedacht mir dann in Deutschland nochmal ein gebrauchtes bei ebay zu kaufen.

Weg zum Rastplatz Baix EbreMir ging natürlich auch durch den Kopf, was sie wohl machen würde, wenn sie es noch zeitnah entdeckt. Würde sie zum Ort der Verabschiedung zurückfahren? Eventuell sogar mir hinterher und mich dann doch auch das letzte Stück noch fahren? Würde es je dazu kommen, dass ich irgendwann eine E-Mail erhielt, wenn ich denn überhaupt eine Adresse angebracht hatte?

Ich dacht nochmals darüber nach welche meiner Sachen ich auf welche Weise für den Verlustfall vorbereiten könnte und sollte, damit sie mir leichter wieder zugeführt werden könnten. Im Alter wird man ja vergesslicher und schuseliger 😀

Auf dieser Art Fußmärschen merke ich auch immer wieder meine unnötig hohe Grundgeschwindigkeit. Voll beladen renne ich fast den Weg entlang, obwohl es langsam weniger anstrengend wäre. Ich bin nicht in Eile und gewinne an der Stelle eh nur wenige Minuten. Doch auch wenn ich mich bewusst verlangsamen kann, erhöhe ich die Geschwindigkeit wieder, sobald ich mit den Gedanken woanders bin.

Als ich am Rastplatz ankam und auf der gegenüberliegenden Seite mein Gepäck etwas abseits des Publikumsverkehrs im Schatten des Restaurants abstellte, erleichtert und völlig verschwitzt, tratt ein Angestellter heraus und wandte sich an mich. Ich dachte sofort, dass er mir mitteilen würde, dass ich mich dort vorm Fenster nicht abgelegen möge, dort er streckte mir gleichzeitig die Hand entgegen, in der ich mein von einem Zettel umwickeltes Handy erkannte.

Während er mir mit wenigen Worten auf Spanisch die Umstände erklärte, konnte ich natürlich wunderbar den Film in meinem Kopf vervollständigen: Monica, ich bleibe nun bei dem Namen, wird mein Handy schnell entdeckt haben. Sie hat es vermutlich nicht näher geprüft, sondern geschlussfolgert, dass es als potentielles Telefon für mich sehr wichtig sein würde. Der Straßenverlauf erfordert, dass sie zuerst einmal acht Kilometer fahren musste, bevor sie wenden konnte, um dann wieder die 8 km zum Parkplatz zurückzukommen, wo ich nicht mehr war. Sie wird dann auf die Autobahn gefahren und am Rastplatz nach 3 km abgefahren sein, hat das Handy mit dem Zettel einem Mitarbeiter erklärend ausgehändigt, ist wieder auf die Autobahn, musste weitere 9 Kilometer bis zur nächsten Ausfahrt zurücklegen und war dann nach weiteren 23 km wieder in Tortosa. Was für ein (zetilicher) Aufwand. Theoretisch hätte sie auch auf der anderen Seite von außen an den Rastplatz heranfahren können, aber das herauszufinden ist auch erst einmal mit Aufwand verbunden.

Ich war erfreut, erleichtert, beschämt, ungläubig zugleich und hatte dirket den Gedanken von dieser Tat auf meiner Internetseite zu erzählen. Der Mitarbeiter freute sich sichtbar mit. Leider stand auf dem Zettel keine Kontaktinfo, nur IAN (so klingt eben Jan für Spanier) Alema/ (was wohl aleman, also deutsch bedeuten soll) und Mochilero (Das Wort kannte ich noch nicht, aber konnte es mir herleiten, da ich mochila für Rucksack kannte, also Backpacker, Rucksackreisender.)

Anschließend suchte ich erst einmal die Sanitäranlagen auf und erfrischte mich. Es lebe der Waschlappen. Mein Hemd habe ich dort auch ausgewaschen und nass wieder angezogen. Es ist erwartungsgemäß schnell wieder getrocknet, während ich draußen nach Mitfahrgelegenheiten Ausschau gehalten habe.

Ich begann etwas wählerisch. Zum einen suche ich auch beim Vorhandsein von LKW erst nur nach PKW, weil sie schneller vorran kommen. Zum anderen wollte ich mein Glück direkt mit fremdländischen Nummerschildern versuchen und fragte die fast auschließlich spanischen Reisenden gar nicht, sondern wartete auf französische oder sogar deutsche Nummernschilder. Es fielen mir sogar zwei ukrainsche Autos auf und ich stellte es mir interessant vor, wenn denn eine gute sprachliche Verständigung möglich wäre, aber ich erkannte noch vor meiner Kontaktaufnahme, dass die Fahrzeuge voll waren.

Mangels Angebot ging ich nach einiger Zeit dazu über auch Spanier anzusprechen und fragte, ob sie weiter nördlichen fahren und mich mindestens bis zum nächsten Rastplatz mitnehmen würden, wodurch ich recht bald an ein Paar gelangte, das nach Barcelona wollte und mich mitnehmen würde. Mittels meiner Karte aus Papier legten wir den letzten Rastplatz auf der gemeinsamen Strecke fest, El Médol. Ich bediene mich weiterhin meiner allmählich auseinanderfallenden Faltkarte des Autobahnbetreibers, die ich ganz zu Anfang mal in einem der dazugehörigen Restaurants als Infomaterial mitnahm. Eines meiner wichtigsten Untensilien, da sie anzeigt bei welchem Streckenkilometer sich welcher Rastplatz mit welcher Ausstattung befindet. So kann ich immer leicht entscheiden und zeigen, wo ich abgesetzt werden möchte, nachdem ich weiß wohin das Fahrzeug reisen wird.

Wir unterhielten uns anfangs ein bisschen, aber die meiste Zeit verbrachte ich wie gewohnt schweigend. Zu meinen Eigenschaften gehört es Stille nicht als unangenehm zu empfinden. Ich kann eher ruhig sein und bleiben als aus Verlegenheit ein Gespräch zu beginnen oder Fragen zu stellen. Ich antworte zwar stets und gehe auch naheliegend auf Aussagen ein, aber wenn nicht gesprochen wird, kann ich das gut genießen. Ich kann nie abschätzen, wie viele neue Kontakte ich im Verlauf einer Reise machen werde und jedes Mal, das ich mir spare meine Geschichte zu erzählen, kommt mir gelegen. Wobei ich auch nicht abstreiten kann, dass sie einen positiven Eindruck hinterlässt.

Kurz vor Erreichen des Rastplatzes, den der Fahrer vorher als gut geeignet kommentierte, boten sie mir an mich noch einen weiter zu bringen, nach Porta de Barcelona, welcher noch größer ist und mehr LKW biete. Sie würden dann einfach etwas anders nach Barcelona reinfahren. Ich nahm dankend an, weil mir dieser Ort wohl bekannt ist, und stieg dann dort aus.

Der Rastplatz ist zwar sehr groß, aber das macht ihn wiederum auch unpraktisch für einen alleine. Ich stationierte mich wieder zuerst vor dem Restaurant. Es gab nicht viel Verkehr und hauptsächlich auch nur Spanier, die alle anschließend nach Barcelona oder ins näherer Umfeld wollten, sich also nicht für eine Mitfahrt meinerseits anboten. Die meisten LKW parken in eingezäuntem Bereich und die Tankstelle ist ein paar deutliche Fußschritte entfernt.

Ich konnte alle einfahrenden Autos sehen und so auch ein Gefühl dafür bekommen, wie viele das Restaurant ansteuerten und wie viele vorbei fuhren, vermutlich direkt zur Tankstelle. Es kam mir nicht so vor als würde ich die Mehrheit verpassen, jedoch entschied ich irgendwann zu wechseln und ging zum Ende des Rastplatzes. Es ist dort möglich mit Blick auf den Tankstellenbetrieb an der Ausfahrt zu stehen und den Reisenden zumindest vor Verlassen des Geländes noch meinen Daumen zu zeigen.

Ich sprach inzwischen alle Fahrer an, die an der Tankstelle hielten, und auch die der umliegenden LKW. Es bot sich keine Gelegenheit. Entweder volle Autos, ungünstige Fahrtziele oder eben auch keine Bereitschaft der Mitnahme. Wie in anderen Belangen auch, ist es mir am liebsten, wenn die Leute sich gar nicht weiter erklären. Denn viel zu oft wird versucht etwas mäßig zu verschleiern und dadurch nur unangenehm.

Ich verstehe es ja, wenn man ungerne so wirke als wäre man unfreundlich oder nicht hilfsbereit, aber manche Suche nach einer Ausrede im Außen lässt mich dann doch eher schmunzeln. Wenn jemand mit beladenen Rücksitzen und einer Kühlbox auf dem Beifahrersitz sagt, dass er ja gerne würde, aber wie zu sehen bedauerlicherweise alles voll sei… Oder Leute, die es leider ganz eilig haben… nach der Zigarettenpause.

Es wurde später und das Tageslicht schwenkte auf Abend um. Es ließ sich nicht sagen, ob es mehr oder weniger Verkehr wurde; es schwankte auch oft. Längere Zeit kein Fahrzeug, dann gleich mehrere auf einmal. Die Gedanken, was ich denn mache, wenn ich keinen finde, merkte ich aufkommen, verwarf sie aber genauso schnell wieder, da sie nicht neu sind. Es bliebe ja nur mit nach Barcelona zu fahren und dann mit Bus oder Bahn weiter. Aber ich werde ja immer mitgenommen, irgendwann, nur Geduld. Ja, für 9 Stunden Reisezeit waren ca. 240 Kilometer Distanz sehr mau, aber am Ende zählt der Durchschnitt bzw. im Grunde eigentlich nur, dass ich ankomme.

Es kam ein eher heruntergekommener Lieferwagen mit französischem Nummernschild an die Tankstelle herangefahren. Er war geschlossen und nicht einsehbar. Bis auf die Fahrkabine natürlich. Ein Fahrer, ein freier Platz und ein Beifahrer. Während der Fahrer mit dem Tankvorgang begann, sprach ich ihn an. Der Beifahrer ging nach innen, zum Bezahlen.

In diesen Suchsituationen fühle ich mich mit meinen Französischkenntnissen so sicher wie in Deutsch und Englisch. Statt dem reinen, kurz gehaltenen Informationsgehalt, wie es bei mir noch im Spanischen ist, kann ich auch leicht noch weitere Aspekte sprachlich transportieren. Ich leitete damit ein, dass es vielleicht ein wenig eng wäre, aber dass sie mir einen riesigen Gefallen tun würden, wenn sich mich mitnähmen. Natürlich hakte ich dann auch nach, ob sie überhaupt weiter nach Norden sogar nach Frankreich fahren würden, aber es mir auch helfe, wenn sie mich nur einen Rastplatz weiter brächten, damit ich wieder das Gefühl von Fortbewegung erhalte.

Der Fahrer schien gar nicht großartig überzeugt werden zu müssen, räumte nur ein, dass sie heute nicht mehr sehr weit fahren würden, vermutlich nicht einmal bis zur Grenze. Ohne mit seinem Mitfahrer Rücksprache zu halten, sagte er aber zu und ich räumte meine Sachen hinten rein. Es sah ziemlich wüst aus, nach einem unordentlichen Schlafraum.

Ich setzte mich in die Mitte, da der Beifahrer meinte ziemlich viel zu rauchen und somit am Fenster besser aufgehoben wäre. Ich schätze die Stimmung soweit richtig ein, dass ich mit passender Betonung konterte, dass das doch nicht gut für die Gesundheit sei, was er mit Bedauern bejahte und mir zustimmte als ich ergänzte, dass einen dieses Wissen dennoch nicht davon abhält. Glücklicherweise rauchten die beiden nur jeweils eine Zigarette während der gesamten gemeinsamen Fahrt.

Es waren zwei ältere Franzosen, die fast zwei Wochen an der Algarve verbracht hatten und den dritten Tag in Folge auf dem Rückweg nach Frankreich waren. Wir unterhielten uns anfangs wieder bunt gemischt und verfielen dann irgendwann in Schweigen. Es begann unterwegs leicht zu regnen, hörte aber wieder auf, bevor ich mir auch darüber ernsthafte Gedanken machte. Bis Girona wollten sie noch fahren und so entschied ich vorher, auf dem Rastplatz La Selva auszusteigen.

Schema des Rastplatzes La SelvaEs war Nacht als ich an dem kleinen Rastplatz dankend ausstieg. Inzwischen hatte ich mich bereits darauf konzentriert vor Halt des Wagens dafür zu sorgen, dass meine Geräte und sonstigen Gegenstände gut verstaut sind. Die überschaubare Anzahl an LKW-Parkplätzen war voll und diese alle schon im Schlafmodus. Die gerade noch anwesenden Reisenden halfen mir nicht weiter und mit einem Mal war dort Ruhe eingekehrt. Das Außenmobiliar der geschlossenen Gastronomie war nutzbar und es gab zwei funktionierende Steckdosen, an denen ich mein Smartphone und mein Netbook auflud. Ich hatte letzteres inzwischen als Powerbank verwendet und damit den Akkustand meines Smartphones oben gehalten, um gelegentlich online ein Lebenszeichen von mir zu geben.

Ich begann dort nicht nur ein wenig zu chatten, sondern auch zu schreiben. Wenn mit großem Abstand Autos eintrafen, unterbrach ich und fragte wie gewohnt nach. Zwar zog ich meine dünne Jacke über, aber es war auch in kurzer Hose noch angenehm. Dort hätte ich mir auch vorstellen können die Nacht zu verbringen. Wach oder am Tisch sitzend schlafend, auf diesen gelehnt.

Mit Lisa hatte ich von dort aus einen kurzen Schriftwechsel, um sie über meinen aktuellen Stand in Kenntnis zu setzen. Der Plan war weiterhin über Freiburg nach Deutschland zu reisen und sie bei der Gelegenheit als erste zu besuchen. Alternative hätte ich einen Abstecher in die Schweiz gemacht, wenn sich eine Mitfahrt nach Zürich ergeben hätte.

Es war 23 Uhr und ich teilte ihr mit, dass ich noch nicht einmal über der spanisch-französischen Grenze war, was sie nachvollziehbar vermuten lies, dass ich am Tag drauf noch nicht wie erhofft in Deutschland seien würde.

Es blieb nicht aus, dass wir wie so oft die Esoterik neckten und sie verabschiedete sich mit dem Senden von guten Energien und dem Aufruf, dass ich stärker visualisieren müsse, und dem Hinweis, dass wenn dies nicht klappt, mein Lernprozess noch nicht abgeschlossen sei 😀

Keine zehn Minuten später schrieb ich ihr wahrheitsgemäß, dass ich eine Mitfahrgelegenheit bei Slowaken auf dem Weg in ihre Heimat habe, über Deutschland.

Was für den ein oder anderen wie ein göttliches Zeichen oder ein Wink des Universums aussehen mag, ist für mich ein weiteres, faszinierendes, zufälliges Ereignis, das mich lachen und staunen lässt. Und natürlich gravierend dazu beiträgt, dass ich mich als unverdientes Glückskind empfinde. Ich bin zum einen zu demütig, um mir vorzustellen, dass sich die Welt und das Leben anderer Menschen so ausrichten, damit es mir zu Gute kommt. Und außerdem hätte ja auch zehn Minuten später ein Auto mit zwei Freiburgern eintreffen können, die mich mitgenommen hätten, im Wechsel gefahren wären und keine schrägen Weltanschauungen gehabt hätten.

Schneller, slowakischer Schlaf-Škoda

Aber zurück zu den Ereignissen auf La Selva. Während des Chats mit Lisa war ein weiteres Auto eingefahren, aber nicht zum Tanken, sondern hielt kurz neben dem Nachtschalter. Zwei Leute stiegen aus, während ich auf den Wagen zuging und das slowakische Nummernschild sah. Ich sprach den Fahrer am Kofferraum auf Englisch an, die Beifahrerin hatte sich an den Tankstellenmitarbeiter hinter der Scheibe gewandt.

Der Fahrer, als Josef stellte er sich später vor, antwortete mir mit gebrochenem Deutsch und wirkte direkt sehr locker und freundlich und teilte mir mit, dass sie nach Frankreich weiterfahren und in die Slowakei wollen. Er wolle aber auch noch seine Partnerin fragen, ob es in Ordnung sei, wenn ich mitfahre, und dass sie außerdem ein Problem mit dem Auto hätten.

Beides vermischte sich dann etwas. Als die Frau zu uns trat, brachte er sowohl mein Anliegen ihr gegenüber zur Sprache, als auch sie ihm gegenüber, dass sie keinen Erfolg hatte, und dann beide mir gegenüber, dass ihr Auto aufgebrochen wurde. Die Frau, Eli (von Elena), sprach kein Deutsch, dafür aber Englisch.

Eingeschlagene FensterscheibeDie kleine Eckscheibe der linken Hintertür war eingeschlagen worden, es hingen noch Glasstücke im Rahmen, das meiste sei aber auf den Rücksitzen verteilt, auf denen auch ihr Zeug herumlag. Sie waren nun auf der Suche nach einem Staubsauger und sie hatte zu erfragen versucht, ob es an der Tankstelle einen gebe, konnte sich dem Personal aber nicht verständlich machen.

Da sich die Vokabel Aspirador bereits in meinem Wortschatz befand, versuchte ich diese Frage schnell zu klären, denn auch ich konnte flüchtig keinen typischen Sauger irgendwo erkennen. Ich erhielt die Auskunft, dass es an den Tankstellen auf der Autobahn keine gäbe, was ich so weitergab.

Die beiden waren schon dabei auf- und umzuräumen und so packte auch ich meine Sachen schnell zusammen und brachte sie zum Auto, wo sie im Kofferraum Platz fanden. Josef hatte in der Zwischenzeit möglichst viele Scherben und Glasstücke aufgesammelt und eine Wolldecke über die halbe Rückbank gelegt, damit ich sicher sitzen konnte. Er bot mir auch direkt zu trinken an und bedauerte, dass sie nichts mehr zu essen hätten; nur noch Chips. Wir fuhren los, kurz vor Mitternacht. Ich sollte Bescheid geben, wenn ich irgendein Anliege habe oder auf Toilette müsse. Erst dabei fiel mir zur eigenen Überraschung auf, dass ich seit meinem Toilettengang am Morgen nicht einmal erneut pinkeln war. Dabei hatte ich sowohl reichlich Aprikosen gegessen als auch getrunken. (Das verhielt sich auch den Rest der Nacht so und erst am Dienstag Morgen musste ich mich wieder erleichtern.)

Wir fuhren los, mit 140 km/h weiter auf der Autobahn nach Norden. Die beiden unterhielten sich und hörten slowakische Popmusik. Ich machte es mir gemütlich und begann ziemlich bald diesen Bericht zu verfassen. Ich fühlte mich zunächst weiterhin hellwach und munter, hatte nach ein paar Absätzen aber doch ein starkes Aufkommen von Müdigkeit und unterbrach das Schreiben.

So ganz bekomme ich die Ereignisse nun nicht mehr sortiert und weiß nicht mehr, wie es sich chronogisch verhielt. Irgendwann setze jedenfalls Verwunderung bei mir ein. Ich stellte fest, dass wir mit 30 km/h stellenweise neben einem Gewässer herfuhren, kurvige Bergstraßen entlang, durch kleine Dörfer. Mit dem GPS meines Smartphone konnte ich feststellen, dass wir wirklich an der Mittelmeerküste waren, noch in Spanien, Perpignan noch ein gutes Stück nordwestlich von uns.

Ich war etwas beunruhigt, ob und wie ich zügig vorankommen werde. Wollten sie doch gemütlich reisen, noch Sightseeing machen? Ich hatte zu Beginn gefragt, ob sie nach Frankreich fahren und mich mitnehmen würde. Ich wusste inzwischen, dass sie über Deutschland in die Slowakei fahren wollten, über Freiburg. Josef sagte auch etwas von Landstraßen, aber das beunruhigte mich nicht, da das der Fahrer bei meiner Reise im Jahr zuvor auch gemacht hatte und ich nicht mehr umsteigen musste.

Statt die Situation anzusprechen und einfach nachzufragen, beruhigte mich einerseits mit der Angabe auf dem Navigationsgerät, dass noch über 800 Kilometer Strecke sowie eine Ankunftszeit von 9 Uhr irgendwas anzeigte. Außerdem hätte ich keine Alternative gewusst und aussteigen wollen. Ich entspannte mich also und begann zu ruhen, schlief auch irgendwann ein.

Als ich wenig später erwachte, waren wir auf der franzözischen Autobahn unterwegs, der mir vertrauten Mautstrecke. Elena hatte sich auf ihrem Sitz zum Schlafen eingerichtet und schnarchte leise vor sich hin.

Schlaf im AutoIch döste immer mal wieder kurz ein, während Josef unbeirrt weiterfuhr. Er wirkte auf mich sicher und wach und ich hatte keine Bedenken. Bestätigt wurde ich dann irgendwann später. Ich habe mir die Zeiten weder gemerkt noch irgendwie notiert, aber irgendwann fuhr er auf einen Parkplatz und richtete sich auf seinem Sitz ein und schlief. Nach ungefähr einer Stunde fuhr er wieder weiter, aber ein oder zwei Rastplätze später erneut herrunter, um sich für ungefähr drei Stunden Schlaf zu gönnen. Währenddessen schlief auch ich dann etwas länger am Stück. Hätte nicht gedacht, dass der Zufall den Verlust meines Zeltes so gut kompensiert. Elena schlief die ganze Zeit durch.

Gegen 7 Uhr setzen wir die Reise fort. In diesen frühen Morgenstunden kam es dann erstmals zu einer Art Gespräch zwischen Josef und mir. Er fragte mich über die Situation in Deutschland, die ich genauso wage damit beantwortet, dass es viele Kontroversen gebe.

Das reichte ihm als Anlass, um eine ganze Reihe von Zeug loszuwerden. Er startete damit zu problematisieren, dass er in europäischen Städten immer mehr Araber und schwarze Menschen wahrnehme und gab im Prinzip eine Mischung aus Ausländerfeindlichkeit und Rassimus von sich, aber auf fast schon unschuldige Art. Er sprach nicht wütend oder anklagend, sondern irgendwie zwischen beiläufig und naiv.

Ich war mal wieder überrascht und irritiert und überfordert. Er folgte dem mir vertrauten, ermüdenden Muster. Eine These und Behauptung nach der anderen äußern, von Thema zu Thema springen, überall Probleme und Täuschung sehen, irgendwer im Hintergrund, der böse Absichten hat, alle lügen, nur er selber sieht klar, und weil er sich trotz seiner selber attestierten Gescheitheit das, was man ihm erzählt, nicht erklären kann, muss alles ganz anders sein. Am Ende führte es auf die große, jüdische Weltverschwörung hin und Zweifel am Holocaust seien berechtigt. Und alles mit einer fast bedauerlichen Tonlage und immer wieder dem Hinweis, dass es ja nur um seine Meinung gehe. Er sage nicht, dass es so sei, wie er sage, aber er sage nur seine Meinung.

Ich bot mich hier nur als Zuhörer an und lies ihn seinen Frust loswerden, obwohl er gar nicht berichtete, dass er durch all das, was seiner Meinung nach ablaufe, direkt betroffen sei. Es gab ein, zwei Stellen, an denen ich mal einen Einwand versuchte, aber er ging nicht drauf ein. Er hatte auch immer mal wieder klar gemacht, dass alle getäuscht würden, aber er zu denen gehöre, der die richtigen Informationen habe.

Es sind Unterhaltungen, die keine sind. Sie werden zur Solidarisierung geführt, weil es nur darum geht sich unter Gleichdenkenden gegenseitig zu bestätigen. Sich aufgrund eines gemeinsamen Feindes zu verbünden. Grundsätzlich versuche ich schon nicht mehr daraus eine Diskussion zu gestalten und noch weniger hatte ich in diesen frühen Morgenstunden Lust dazu, mit jemandem, der nicht gut genug Deutsch sprach. Während er redete, überlegt ich, wie ich die Situation geschickt verändert könnte.

Elena kam mir zuvor. Sie murmelte irgendetwas im Halbschlaf, was ihn veranlasste nicht weiter zu reden und schneller zu fahren. Er fragte mich nach einer Tüte und ich suchte und fand eine bei ihren Sachen. Offenbar war ihr schlecht geworden. Er steuerte die nächste Ausfahrt an und hielt bei der erst besten Gelegenheit, die sich bot, um rechts heranzufahren. Sie stieg aus und beugte sich ins Grüne.

Sie baten mich um Platztausch und so setzte ich mich nach vorne und sie legte sich auf die Rückbank. Den Rest der Fahrt blieb sie ruhig und schlief fast durchgängig, abgesehen von den kurzen Toiletten- und Zigarettenpausen. Josef äußerte hin und wieder, dass sie auch durch den Diebstahl sehr mitgenommen sei. Vor allem ihre Sachen seien entwendet worden; die Taschen mit ihrer Kleidung, ihrer Kosmetik, ihren Dokumenten.

Es gab noch ein, zwei kurze Auslöser für unsinnige Äußerungen von Josef, aber erfreulicherweise hielt er sich kurz. Er erzählte noch ein wenig mehr von sich, aber die meiste Zeit schwiegen wir miteinander.

Kurz vor 15 Uhr trafen wir in Freiburg ein. Josef versuchte ein Parkhaus in der Innenstadt zu finden, da er die Idee hatte mit Elena noch in ein Kaufhaus zu gehen, um ein paar neue Sachen zu kaufen. Nach erfolglosem Herumgekurve, bat ich ihn mich bereits aussteigen zu lassen und wir verabschiedeten uns.

Epilog

Ich war tatsächlich innerhalb von 29 Stunden an meinem Ziel angekommen. Schneller as erwartet und größtenteils einfacher, als ich es anfangs dachte. Orientierungslos schlenderte ich durch die Gassen Freiburgs, irgendwie nach Gefühl, und kam recht bald am Bertoldsbrunnen an, der mir recht zentral schien.

Da mein mobiler Internetzugang längst wieder verschlossen war und ich es nicht für nötig hielt nochmals einen zu buchen, schaute ich nach freien, öffentlichen Zugängen. Ich könnte mich ja aufregen über diese Pseudo-Free-Wifi-Angebote. Kostenloser, freier Zugang wird beworben und dann hängt man nach der Einwahl ins Netz vor einer Registrierungsseite. Für mich ist das Täuschung.

Erfreulicherweise gibt es aber an einer Stelle des Bertoldsbrunnen einen Zugang über die Freiburger Freifunker. Genau das Gegenkonzept. Vielen Dank!

Von dort aus informierte ich dann Lisa, wissend, dass sie bereits ein Treffen an diesem Abend hatte. Ich ging ein bisschen umher und setzte mich dann einfach irgendwo auf eine Bank und setzte diesen Text hier fort, bis sie sich meldete und wir uns trafen.

Es war also erneut eine gelungene Reise per Anhalter von Spanien nach Deutschland, sogar ohne Zelt. Voraussichtlich werde ich auf selbe Weise Ende August wieder zurückreisen und vielleicht stelle ich bis dahin auch noch den fast fertigen Bericht zur Rückreise letztes Jahr online.

Jetzt genieße ich die Zeit in Deutschland, voller Begegnungen und Treffen mit alten und neuen Bekanntschaften. Ich freue mich.

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